Aufwärmen im Sportklettern und Bouldern
In diesem Artikel soll das Aufwärmen für ein Klettertraining oder Klettern im Allgemeinen beschrieben werden.
In vielen Sportarten wie Fitness oder Leichtathletik steht zu Beginn einer Einheit ein klassisches Cardio bzw. Einlaufen von ca. 5-15 Minuten im Sinne eines allgemeinen Aufwärmens. Anschließend kommt meist noch ein statisches Dehnprogramm zur vermeintlichen Verletzungsprophylaxe. Die Frage ist nur, ob ein Aufwärmen in dieser Form notwendig ist oder überhaupt seinen Zweck erfüllt.
Sinn und Zweck des Aufwärmens sollte die Verletzungsprophylaxe und das heranführen des Körpers an seine maximale Leistungsfähigkeit sein.
Einlaufen
Durch ein klassisches Einlaufen (oder auch der Zustieg zum Fels oder das Radfahren zur Boulderhalle) werden folgende Ziele erreicht:
1. Erhöhung der Körperkerntemperatur
Durch ein Laufprogramm wird die Temperatur von ca. 37° auf 38° bis 38,5° C erhöht. Das steigert die Durchblutung der Muskulatur und bringt die Stoffwechselvorgänge in Schwung. Die Folge ist eine verbesserte Sauerstoff- und Nährstoffversorgung was eine erhöhte Nervenleitgeschwindigkeit und Muskelkontraktionsfähigkeit bedeutet!
2. Aktivierung des Herz-Kreislaufsystems
Durch die Steigerung der Herzfrequenz wird die Durchblutung im gesamten Organismus gefördert, was die schon im Punkt 1 genannten Vorzüge hat.
3. Verletzungsprophylaxe
Die Verletzungsprophylaxe entsteht zum einem aus der verbesserten Muskelkontraktionsfähigkeit zum anderen aber auch durch die erhöhte Produktion von Gelenkflüssigkeit. Die Gelenkflüssigkeit lässt die Gelenke schön geschmeidig, wie eine mit Öl geschmierte Maschine laufen.
4. Psychische Fokussierung auf das Training
Als letztes sei hier noch die mentale Komponente genannt: Durch ein allgemeines Aufwärmprogramm können sich Geist und Körper vom Alltag lösen und sich auf das Training einstimmen. Auch wenn es zum Aufwärmen im Bereich Klettern durchaus Sinn machen könnte, spielt Einlaufen in der Praxis keine Rolle. Schon deshalb weil die Örtlichkeiten selten eine Möglichkeit dazu bieten.
Statisches Dehnen
Statisches Dehnen zum Aufwärmen eignet sich aus meiner persönlichen Erfahrung heraus nicht zum Aufwärmen. Zudem gibt es keine wissenschaftliche Studie, welche eine verbesserte Verletzungsprophylaxe durch statisches Dehnen nachweist. Dafür gibt es aber Studien die zeigen, dass der Muskeltonus durch statisches Dehnen gesenkt wird. Das wiederum ist kontraproduktiv für ein Trainingsprogramm in dem Schnell- und Maximalkraft eine entscheidende Komponente spielen.
Durch statisches Dehnen kann aber der Bewegungsumfang gesteigert werden. Das ist z.B. im Fußball wichtig, wenn zu Beginn eines Spieles gleich „rein gekrätscht“ werden muss. Auf das Klettern/Bouldern bezogen macht es Sinn den Bewegungsumfang im Bereich der Beine und Hüfte zu steigern. Diesen Bereich im Aufwärmprogramm statisch zu Dehnen macht also Sinn. Die Finger bzw. die Unterarmmuskulatur nicht! Dennoch sollte zu einem anderen Zeitpunkt Finger und Unterarme statisch gedehnt werden, damit diese nicht immer weiter verkürzen. Mehr dazu im Kapitel Unterarm-Antagonistentraining.
Statisches Dehnen hat zusätzlich (evtl. als eigene Trainingseinheit) einen sehr hohen Stellenwert für die langfristige Steigerung der Beweglichkeit. Mehr dazu im Kapitel Beweglichkeit.
Dynamisches Dehnen
Wenn statisches Dehnen zum Aufwärmen zum Teil ungeeignet ist, was ist dann mit dynamischen Dehnen und wie schaut dieses aus? Dynamisches Dehnen, das sich zum Aufwärmen eignet, zeichnet sich durch vorsichtige Ausführungen der gewünschten Übungen aus.
Konkret bedeutet das, z.B. vor dem Klettern ein paar wenige Klimmzüge machen, bei denen man sich soweit aushängen lässt, dass die Rücken und Brustmuskulatur mit aufgedehnt werden.
Aufwärmen mit Trainingsboard
Wenn in einem Kletter-/Boulder Sektor die leichteren Aufwärmrouten fehlen, ist ein mobiles Trainingsboard ein ausgezeichnetes Mittel um die Finger auf Betriebstemperatur zu bringen.
Aktivierung des Körpers
„Aktivierung“ bedeutet einen kalten, bewegungsunlustigen Körper durch Kraft- und Dehnungsübungen auf die bevorstehende Belastung vorzubereiten. Dazu können auch Tools wie Trainingsringe oder Schaumrollen (Foam Roller) verwendet werden. Kraftübungen zu diesem Zweck können Liegestütze oder Klimmzüge in geringem Umfang sein. Auch statische Halteübungen, wie angehobene Oberarme für ein paar Sekunden nach hinten zu ziehen, sind geeignet.
Übungsspezifisches Aufwärmen
Das übungsspezifische Aufwärmen ist die einfachste und elementarste Form des Aufwärmens! Hierbei werden gezielt die später betroffenen Gelenke und Muskeln auf die Belastung vorbereitet. Dazu wird mit leichten Routen bzw. Bouldern angefangen und die Intensität nach und nach gesteigert.
Also einfach eine sehr leichte Route zu Beginn klettern. Danach zwei bis drei in der Intensität zunehmend Schwerere. Beim Bouldern dementsprechend einfach erst mal eine Reihe von leichten Bouldern und dann zunehmend Schwerere. Optimal ist das sicherlich nur in der Halle möglich. Draußen muss man da meist schon etwas improvisieren.
Aufwärmumfang
Zum Umfang des Aufwärmprogramms ist von folgenden vier Punkten abhängig:
1. Leistungslevel
Je fortgeschrittener ein Athlet in seiner Disziplin ist, desto länger muss er sich aufwärmen. Ein Anfänger kann auch ohne Aufwärmprogramm kaum was falsch machen, da sein Körper seine maximale Leistung nicht abzurufen vermag.
2. Alter
Je Älter (vor allem ab 30), desto höher der Aufwärmbedarf.
3. Temperatur
Ums so kälter es ist, desto länger sollte der Aufwärm-Vorgang dauern.
4. Körperlicher Belastungszustand
Damit sind die Nachwirkungen vergangener Trainingseinheiten gemeint: Hat man noch Muskelkater oder fühlt sich erschöpft, sollte das Aufwärmen etwas länger dauern.
Daher kann die Dauer des Aufwärmens von 5 Minuten durchaus bis zu einer halben Stunde, in Ausnahmefällen sogar bis zu einer Stunde variieren. Wie so oft ist der einzelne Athlet selbst gefordert, über die Erfahrung für sich das Optimale heraus zu finden!