Sechs Technikfehler von fortgeschrittenen Kletterern

Fortgeschritten meint in etwa: Kletterer im UIAA Schwierigkeitsgrad 8- bis 10- (Französische Skala: 6c-8a, Bouldern: 6C-7C+)

1. Griffe und Tritte nachrutschen und nachfedern

Mit Nachrutschen ist folgendes gemeint: Nachdem ein Griff mit den Fingern gegriffen wurde, wird versucht die Griffposition durch nachrutschen und hin und her schieben der Finger zu verbessern. Das kann auch nötig sein, wenn man sich bei einer Griffform verschätzt hat, oder der Griff tatsächlich nicht optimal in den Fingern hat.

Aber diese Notwendigkeit aus den Anfangszeiten eines Kletterers, kann sich zu einer unbewussten Angewohnheit entwickeln. In diesem Fall wird bei jedem Griff nachgerutscht, ob notwendig oder nicht. Es handelt sich dabei optisch meist um ein Dreifaches nachzittern mit den Fingern, ohne dass sich die Griffposition wesentlich verändert. Beim Treten von Tritten ist das eher ein Dreifaches nachfedern.

Wer unter dieser Angewohnheit leidet, sollte sich bewusst darauf konzentrieren auf dieses Nachrutschen zu verzichten. Dadurch spart man sich etwas Zeit, was gerade bei schwierigen Zügen zwischen kleinen Griffen ein Vorteil ist.

Das Schwierige an diesem Technikfehler ist, ihn überhaupt zu erkennen. Das Abstellen dieser schlechten Angewohnheit ist dagegen relativ leicht.

2. Zu viele Zwischengriffe benutzen

Es gibt Kletterer, die möglichst jeden halbwegs brauchbaren Zwischengriff mitnehmen. Die Hoffnung dabei ist wohl, mit kürzeren Zügen Kraft zu sparen. Ich bin überzeugt, dass diese Hoffnung nicht erfüllt wird. Der Zeitverlust durch mehr Züge und zusätzlich das Halten der schlechteren Zwischengriffe ist meiner Meinung nach ein großer Nachteil.

Die Problematik tritt häufiger beim Klettern am Fels (z.B. Frankenjura) als am Plastik auf, da potentiell mehr Zwischengriffe vorhanden sind.

Diesen Technikfehler abzustellen ist sehr schwierig. Die Kletterer, die diesen machen, werden überzeugt sein, das Richtige zu tun. Häufig haben diese Kletterer auch das Problem, dass sie dynamisches Klettern vermeiden wollen.

3. Dynamisches Klettern vermeiden

Geschätzt die Hälfte der fortgeschrittenen Kletterer vermeiden dynamische Züge um jeden Preis. Damit sind nicht nur gewagte Sprünge gemeint, bei denen alle vier Körperteile den Kontakt zur Wand verlieren. Nein, es geht vor allem darum, mit leichtem Schwung aus dem Unterkörper heraus die Distanz zum Zielgriff mit geringerem Krafteinsatz zu überbrücken.

Der Einsatz von Dynamik verringert also die Blockierkraft in der haltenden Hand etwas. Manchmal erspart es auch das anstrengende, zu hohe Antreten eines Trittes. Nicht falsch verstehen: Hoch antreten ist prinzipiell eine gute Technik und erleichtert in der Regel die Züge – siehe auch Punkt 4.

Auch dieser Punkt ist eher schwer zu verändern. Wer dynamische Züge nur beim Seilklettern scheut, für den könnte Sturzangst eine Rolle spielen. Wer hingegen auch beim Bouldern eher einen statischen Kletterstil pflegt, für den gestaltet sich die Ursachenfindung etwas schwerer. Folge Gründe könnte es geben:

  • geringes Einschätzungsvermögen der Beschaffenheit des Zielgriffes
  • zu wenig Kraft im Schultergürtel, um möglichen Verlust des Fußkontaktes abzufangen
  • zu wenig Körperspannung um den Fußkontakt zur Wand schnellstmöglich wieder herzustellen
  • Koordinationsschwierigkeiten
  • die (falsche) Einschätzung, dass statisches Klettern dem Dynamischen überlegen ist
  • zu wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten

Wer das Problem bei sich erkennt, hat aber zumindest folgende Möglichkeiten als Abhilfe:

4. Kein hohes Antreten

Mangelnde Beweglichkeit in den Beinen und der Hüfte kann die Bewegungstechnik einschränken. Vor allem das hohe Antreten wird so deutlich erschwert. Die Abhilfe ist hier aber einfach und geht auch relativ schnell: Erhöhen der Beweglichkeit in Beinen und Hüfte durch Dehnen!

5. Kein präzises Antreten

Unpräzises Antreten zeichnet sich dadurch aus, das ein Tritt meist unsauber erwischt wird und dann der Fuß erst in eine präzise Position geschoben oder gewippt werden muss. Der Kletterer ist hier zumindest in der Lage zu erkennen wie ein perfekter Tritt sitzen muss. Aber mangelnde Koordination oder mangelnde Körperspannung in steilem Gelände verhindern das direkte saubere Setzen des Fußes.

Hat man das Problem also nur in steilem Gelände, kann eine Verbesserung der Körperspannung Besserung bringen. Wenn ein präzises Antreten grundsätzlich nicht möglich ist, sollte sich der Kletterer in leichteren Bouldern oder Routen auf genau diese Technik fokussieren, um die Koordination zu verbessern.

An den Punkten 3, 4 und 5 sieht man auch, dass gewisse körperliche Voraussetzungen für eine gute Klettertechnik nötig sind!

6. Falsche Kletterbewegungen

Hier sind falsche Bewegungsabfolgen oder Griffreihenfolgen gemeint. Beispiele:

  • Ein Griff, den man wegschultern sollte, wird frontal gegriffen
  • Es wäre besser mit links überkreuz zum nächsten Griff zu greifen, stattdessen zieht man mit rechts dorthin

Die Ursachen solcher Fehler liegen meist in mangelnder Klettererfahrung, zu wenig abgespeicherten Bewegungsmuster und mangelnder Einschätzungsfähigkeit von Klettergriffen. Dieses Problem wird durch zwei unterschiedliche Maßnahmen verbessert:

a) Viel und abwechslungsreich Klettern gehen

Dadurch wird erreicht, dass viele verschiedene Bewegungsmuster nach und nach abgespeichert und abgerufen werden können. Es werden zunehmend mehr Griffformen und Klettersituationen abgespeichert. Sprich, die Erfahrung bringt einen hier weiter!

b) Mit gleich guten und besseren Kletterern klettern gehen, die Kletterpartner wechseln

Andere Kletterer können einem andere und bessere Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. So werden die richtigen Bewegungsabläufe schneller erlernt.

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5 Gedanken zu „Sechs Technikfehler von fortgeschrittenen Kletterern

  • 25. Mai 2016 um 20:36
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    Der Punkt heißt ja auch „Zu viele Zwischengriffe benutzen“ und nicht das man grundsätzlich darauf verzichten soll.

    Antwort
  • Pingback: Unsere 7 Internet Fundstücke April 2016 - Abenteuersuechtig.de

  • 2. Mai 2016 um 20:56
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    Cooler Text. Wieder ein paar Hinweise, worauf sich mal zu achten lohnt. Und die Scheibenwischer kommen in mein nächstes Krafttraining. Danke!

    Antwort
    • 2. Mai 2016 um 21:28
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      Danke – Freut mich!

      Antwort
  • 2. März 2016 um 23:13
    Permalink

    Vielleicht mache ich zum Punkt 1. „Griffe und Tritte nachrutschen und nachfedern“ noch ein kurzes Video, damit man besser versteht was gemeint ist!

    Antwort

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