Kraftausdauer #2 – Was passiert beim Klettern?

Nachdem im ersten Teil der Kraftausdauerserie die drei verschiedenen Energiesysteme (aerob, anaerob laktazid, anaerob alaktazid) vorgestellt worden sind, soll in diesem Artikel geklärt werden, was beim Klettern genau passiert.

Natürlich habe ich zu diesem Thema auch meine eigenen Erfahrungen und Beobachtungen gemacht. Aber nicht alles, was sich auf dieser biologischen und chemischen Ebene in den Unterarm abspielt, kann ich selbst beobachten und daher sind die folgenden Erkenntnisse auch aus diesen drei (sehr empfehlenswerten) Kletterbüchern entnommen:

Statische Kontraktion der Muskulatur

Was spielt sich nun konkret beim Klettern von ausdauernden, pumpigen Routen ab – Also Routen die so ca. 10 bis 20m lang sind, oder entsprechende lange Bouldertraversen? Es ist leider sehr komplex was sich auf der chemischen und biologischen Ebene in der Unterarmmuskulatur abspielt. Fakt ist aber: Durch das Halten kleiner Griffe wird je nach Stärke der Belastung die Muskulatur so stark statisch/isometrisch kontrahiert, dass wenig bis gar kein Blut mehr durch die Muskulatur der Fingerbeuger fließen kann.

Ausdauerende Kletterei im Frankenjura
Ausdauerende Kletterei im Frankenjura

Wird mit einer Muskelkontraktion von mehr als 20% von der maximalen Kapazität gearbeitet, wird bereits der Blutfluss beeinträchtigt. Bei 50% und mehr ist er komplett verschlossen! [1] (Seite 178) Es kann dann weder Sauerstoff zuströmen, noch können Laktat und andere Stoffwechselprodukte abtransportiert werden.

Wir befinden uns dann also im anaeroben Bereich und das erzeugt den sogenannten „Pump“ in den Unterarmen. Im Teil 1 wurde gesagt, dass man so ca. 1 bis 2 Minuten im komplett anaeroben Bereich verbleiben kann, bis die Energiesysteme dafür „zusammenbrechen“. Wenn man es jetzt nicht schafft aus diesen anaeroben Bereich raus zu kommen, weil man zum Beispiel an einer Ruhestelle oder einer leichteren Passage ist, ist recht schnell Alarmstufe Rot angesagt und man fällt aus der Wand.

Aber wir haben ja beim Klettern diese Schüttelpunkte und leichtere Passagen, in denen wir vom anaeroben Bereich wieder zurück in den aeroben wechseln. Durch das Schütteln, aber auch schon durch das Weitergreifen, bekommt man den Blutfluss in den Unterarmen wieder zum laufen. So ist es auch möglich Routen zu klettern, die deutlich länger sind, als die theoretische, rein anaerobe Phase von maximal 2 Minuten.

Das Herz-Kreislauf-System spielt dabei keine große Rolle

Damit kommen wir zu auch zu einem Punkt, der bei manchen Kletterern durchaus kontrovers gesehen wird: Und zwar, dass das Herz-Kreislauf-System keinen großen Einfluss auf die Kraftausdauerleistung beim Klettern hat. Wenn man das z.B. mit dem 400 Meter Lauf vergleicht, dann ist es beim 400 Meter Lauf so, dass durch die Bewegung die relativ große Oberschenkelmuskulatur mit Blut und Sauerstoff versorgt wird. Das Herz muss also das Blut zu dieser Muskulatur pumpen. Daher ist die Leistungsfähigkeit beim 400m Lauf tatsächlich durch das Herz-Kreislauf-System limitiert.

Joggen bringt wenig für die Kraftausdauerleistung beim Klettern - sollte aber aus anderen Gründen gemacht werden!
Joggen bringt wenig für die Kraftausdauerleistung beim Klettern – sollte aber aus anderen Gründen gemacht werden!

Beim Klettern ist die Sache anders. Hier haben wir zum einen ja diese statischen Kontraktionen, die eben im Unterarm den Blutfluss abschnüren und deswegen für das anaerobe Milieu sorgen. Und zum anderen ist es auch so, dass die Unterarmmuskulatur, also die Fingerbeuger, auch eine sehr kleine Muskulatur ist, die gar nicht so viel Sauerstoff und Blut aufnehmen kann, wie das Herz-Kreislauf-System zur Verfügung stellen könnte. Daher ergibt sich von selbst, dass intensives Cardiotraining kaum eine Auswirkung auf die Ausdauerleistung beim Klettern hat.

Allerdings will ich damit nicht sagen, dass man überhaupt nicht Joggen gehen sollte! Für mich ist es zumindest so, dass einmal Joggen für 20 Minuten die Woche Minimum ist. Und zwar um den degenerativen Erscheinungen in den Knien und in der Hüfte entgegen zu wirken. Also als eine Art Ausgleichstraining. Darüber hinaus verbesser sich durch das Cardiotraining die allgemeine Fitness und man kann ein höheres Trainingspensum absolvieren.

Aber ab irgendeinem Punkt wird es auch zu viel.

Wenn man viermal die Woche joggen geht und insgesamt zwei Stunden nicht überschreitet, dann hat man in nichts zu befürchten und ist im grünen Bereich. Aber wenn man wirklich exzessiv Cardiotraining betreibt, (muss nicht nur Joggen sein, dass können auch andere Ausdauersportarten sein) dann kommt man irgendwann an den Punkt, dass der Regenerationsbedarf sehr groß wird und dadurch dann die kletterspezifischen Fortschritte leiden.

Von daher Cardiotraining ja, aber nicht übertreiben. Und vor allem wird es eben kaum eine Auswirkung darauf haben, pumpige Routen klettern zu können. Stattdessen müssen wir schauen, dass wir für diese Art von Belastung die Anpassung in den Unterarmen vornehmen. Und das geht am besten durch das Klettern selbst.

Kapillare
Kapillare

Die Lösung: Kapillarisierung

Bevor im nächsten Teil gezeiget wird, wie ein konkretes Kraftausdauertraining ausschauen kann, soll jetzt noch schnell darauf eingegangen werden, was wir eigentlich erreichen wollen. Und zwar wollen wir die sogenannte Kapillarisierung erreichen. Kapillaren, dass sind ganz winzige Blutgefäße, die zwischen den Arterien und Venen in der Muskulatur verlaufen. Und umso höher diese Kapilardichte ist, desto mehr kann die Muskulatur eben mit Sauerstoff und Blut versorgt werden. Und umso besser können auch Nebenprodukte abgebaut werden.

Nun ist es so, dass die Kapilardichte sich relativ schnell erhöht, je nachdem wie man trainiert. Also wenn man das entsprechend richtige Training fürs Klettern macht, dann wird sich relativ schnell auch die Kapillarisierung ändern. Und zwar die Kapilardichte der in der Unterarmmuskulatur, nicht im gesamten Körper. Eben nur da, wo dieses mehr an Blut und Sauerstoff gebraucht wird.

Im Umkehrschluss gilt: Wenn es schnell in die eine Richtung funktioniert, bedeutet das auch, dass es schnell in die andere Richtung läuft. Wenn man das Training einstellt, dann bilden sich diese Kapillare auch wieder zurück und die Kraftausdauerleistung lässt nach.

Es gibt noch diverse andere chemische und physikalische Faktoren, die sich bei einer erhöhten Kraftausdaueraktivität einstellen. Diese sind nicht vollständig geklärt und werden zur Vereinfachung an dieser Stelle vernachlässigt. Im Wesentlichen ist es eben die Kapillarisierung, die für eine gesteigerte Kraftausdauer beim Klettern beiträgt.

Wie trainiert man jetzt die Kraftausdauer fürs Klettern am besten? Man muss sich viel im anaeroben Bereich aufhalten. Sprich, man muss viel pumpige Routen/Boulder klettern.

Welche Spielarten es dafür gibt, welche Pausenzeiten und Wiederholungszahlen man einhalten soll und alles Weitere wird im nächsten Teil dieser Serie geklärt!

Video

Der Artikel als Video:

Quellen

  1. Eric Hörst (2016). Training for Climbing (3. Auflage). Guilford, USA
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2 Gedanken zu „Kraftausdauer #2 – Was passiert beim Klettern?

  • 2. Juni 2018 um 13:51
    Permalink

    Moin Christoph,
    mal wieder ein interessanter Artikel, aber tu uns und dir den Gefallen und ließ den letzten Abschnitt nochmal kurz probe – ob Kapitalisierung wirklich beim klettern hilft, ist fraglich 😉
    Ließt sich einfach nicht so flüssig, auch wenn man schon weiß, was du meinst…

    Freue mich auf den nächsten Teil und weitere interessante, fundierte Artikel von dir.
    beste Grüße

    Antwort
    • 2. Juni 2018 um 22:12
      Permalink

      Hallo Moritz!
      Da hast du natürlich vollkommen Recht! Ich schau, dass ich den gesamten Artikel noch mal von meiner Frau gegelesen lasse – wollte ich wie immer eigentlich machen, ist aber wegen so vieler Dinge derzeit untergegangen!

      Danke und viele Grüße
      Christoph

      Antwort

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