Antagonistentraining für Kletterer

Bei Kletterern, die ihren Sport ambitioniert und sogar extrem betreiben, werden sich nach einiger Zeit höchstwahrscheinlich Muskeldysbalancen bilden. Das heißt, starken Muskelgruppen, wie dem Latissimus, stehen schwache Muskelgruppen, wie der Trapezius gegenüber. Wer diese Dysbalancen nicht in Schach hält, kann in der Folge Verletzungen oder Fehlhaltungen, wie z.B. den Kletterrundrücken bekommen. Deswegen wird beim Klettern oft vom Antagonistentraining oder auch Gegenspielertraining oder Ausgleichstraining gesprochen.

Antagonistentraining vs Ausgleichstraining

Wobei der Begriff Ausgleichstraining  eher ein Oberbegriff ist. Das Antagonistentraining ist ein Teil davon. Andere Möglichkeiten des Ausgleichstrainings sind Sportarten , die mit Klettern rein gar nichts zu tun haben. Zum Beispiel Joggen, Schwimmen, Radfahren. Aber auch Sportarten wie Volleyball, Kampfsport, Turnen können zum Ausgleich praktiziert werden.

Die Begriffe Antagonisten- und Gegenspielertraining würde ich wirklich nur auf das Training der bei Kletterern schwachen Muskulatur beziehen.

Für wen sinnvoll?

Ich halte ein Gegenspielertraining nur für jemanden sinnvoll, der das Klettern so betreibt, dass sich Muskeldysbalancen bilden können. Wer also Klettern nur als eine Sportart neben anderen betreibt, hat normalerweise schon genug Ausgleichsbelastung. Ein Antagonistentraining wird aber um so wichtiger, je extremer der Sport ausgeübt wird. Wer sowieso schon eine Fehlhaltung, wie den Kletterrundrücken hat, der sollte sich besonders um einen Ausgleich bemühen.

Welche Muskelgruppen?

Die durch das Klettern zu schwache Muskulatur
Die durch das Klettern zu schwache Antagonistenmuskulatur
Beanspruchte Muskeln beim Klettern
Beanspruchte Muskeln beim Klettern

Zunächst ist zu klären, was überhaupt die schwachen Muskelgruppen beim Klettern sind. Als Grundlage schaut man sich dazu erst die starken Muskelgruppen des Klettersports an. Durch die Überlegung was die jeweiligen Gegenspieler dieser starken Klettermuskeln sind, kommt man auf die antagonistischen Muskeln.

Diese schwächeren Muskeln sind im Wesentlichen:

Die Beinmuskulatur sehe ich nur bedingt für ein Ausgleichstraining. Das hat zwei Gründe: Zum einen werden die Beine beim Klettern nicht ungleich belastet. Das heißt sowohl die Vorderseite, als auch die Rückseite sind schwach und somit gibt es auch keine muskuläre Dysbalance innerhalb der Beinmuskulatur. Zum anderen will man die Beine als extremer Kletterer möglichst schwach halten, da Muskelmasse hier nur unnötiger Ballast ist. Um aber trotzdem die Gelenke etwas zu belasten, empfehle ich regelmäßig joggen zu gehen.

Welche Übungen für welche Muskeln?

Das Training der Unterarmantagonisten (Hand- und Fingerstrecker) wurde schon in folgendem Artikel beschrieben: Unterarm-Antagonistentraining für Kletterer

Für die anderen Muskeln gibt es eine Vielzahl von Übungen. Diese sind auch mit den verschiedensten Geräten bzw. auch dem eigenen Körpergewicht machbar. Hier muss jeder selbst herausfinden, was für einem am besten funktioniert. Da es so viele Übungen gibt, zähle ich pro Muskelgruppe nur 3 exemplarisch auf.

Armstrecker

Brust

Schultern

Innerer Rücken

Innerer, oberer Rücken

  • Shrugs (Schulterheben)
  • Rudern im Stehen z.B. mit Langhantel und relativ aufrechten Oberkörper

Unterer Rücken/Rückenstrecker

Wie baut man die Übungen zu einer Trainingseinheit zusammen?

An dieser Stelle ist es natürlich vor allem eine Frage der Trainingsmöglichkeiten. Steht einem ein Fitnessstudio zur Verfügung, oder zumindest ein kleiner Kraftbereich wie im Café Kraft? Hat man Ringe, einen Slingtrainer, Minibarren oder eine Klimmzugstange? Je nachdem sollte die Übungsauswahl erfolgen. Zur Not genügt aber auch der blanke Boden für Yoga oder Pilates Übungen.

Um die Dysbalancen in Schach zu halten, dürften pro Muskelgruppe schon 1 bis 2 Übungen ausreichen. Pro Übung sollten es dann ca. 3 Sätze mit 8 bis 14 Wiederholungen sein. Die Pause zwischen den Übungen ca. zwei Minuten. Mit Verbundübungen, wie Liegestützen erwischt man auch gleich mehrere Muskeln zusammen. So eine Einheit sollte ohne Aufwärmen ca. eine Stunde dauern.

Mit Liegestützen alleine, lässt sich also für den Trizeps und die Brust einiges ausrichten. Wenn man dann ab und zu noch die Ringe für verschiedene Liegestützvarianten oder Dips verwendet, sorgt man sicherlich schon optimal vor. Übungen wie Bankdrücken, Kurzhanteldrücken und Kabeldrücken müssen dann gar nicht sein.

Für das Schultertraining bieten sich hingegen kleine Gewichte wie Kurzhantel oder Kettlebells an. Hier halte ich Front- und Seitheben für die effektivsten Übungen für die vordere und mittlere Schulter. 2 – 4 Kg Kurzhanteln sollte vom Gewicht her ausreichend sein. Für die hintere Schulter bietet sich vorgebeugtes Seitheben an. Hier hat man etwas mehr Kraft und kann 4 – 8 Kg Kurzhanteln verwenden. Pro Übung 3 Sätze mit ca. 12-14 Wiederholungen. Zur Übungsausführung bitte im Internet re­cher­chie­ren, solange wir hier noch keine Übungsbeispiele haben.

Für den inneren Rücken sind vor allem Ruderübungen aller Art gefragt. Hat man ein Fitnessstudio zur Verfügung, ist die Auswahl an Ruderübungen meist groß. Von Ruderübungen an speziellen Maschinen über Langhantel- und Kurzhantelrudern bis zum Reverse Butterfly. Wer diese Möglichkeit nicht hat, muss auf minimalistische Übungen zurück greifen. Rudern an den Ringen halte ich hier auch für eine hervorragende Übung! Wer auch keine Ringe oder Slingtrainer hat, muss sich mit statischen Halteübungen wie den Trapezius Block, die Yoga Heuschrecke oder Trocken-Schwimmen zufrieden geben.

Trocken-Schwimmen ist auch eine gute Übung für den Rückenstrecker. Die geeignetste Übung dürften aber Hyperextensions an einem entsprechendem Gerät oder im Stehen mit einem Zusatzgewicht auf den Schultern sein. Im Kraftsport ist Kreuzheben der Klassiker für den unteren Rücken. Kreuzheben ist aber zum einen technisch einwandfrei auszuführen um Verletzungen zu vermeiden. Zum anderen kräftigt es auch die Beine mit. Das will man als Kletterer womöglich vermeiden.

Wie häufig sollte man eine Antagonisteneinheit machen?

Eine ernsthafte Antagonisteneinheit alle zwei bis drei Wochen sollte im Jahresdurchschnitt ausreichend sein. Schließlich müssen die Gegenspieler nicht das gleiche Niveau wie die Arbeitsmuskulatur erreichen. Bei einem schwachen Muskel lässt sich auch schon mit wenig Aufwand schnelles Wachstum erzielen.

Vor wichtigen Klettertagen sollte man aber kein Antagonistentraining machen. Diese Art des Trainings ist kurzfristig kontraproduktiv für die Kletterleistung. Es ist der Muskelkater und die Muskelspannung die einem erst mal etwas träger und bewegungsunfreudiger machen. Von daher sollt man sich auch überlegen das Antagonistentraining blockweise zwei mal im Jahr gehäuft anzugehen. Zum Beispiel im Winter und im Sommer, wenn keine Bedingungen für Projekte sind, oder Wettkämpfe anstehen. Macht man das Training blockweise, dann sollte das Antagonistentraining wöchentlich gemacht werden.

Ein weiterer Aspekt: Die Beweglichkeit

Um den Körper geschmeidig, beweglich und funktional zu halten, sollte gezielt die Beweglichkeist trainiert werden. Einige Übungen dehnen aber auch so schon die Muskulatur mit auf. Liegestützen dehnen z.B. die vordere Schulter und die Brust. Ansonsten halte ich Dehn- und Gymnastikübungen vor allem für die Beine und den unterern Rücken für wichtig.

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11 Gedanken zu „Antagonistentraining für Kletterer

  • 14. September 2023 um 8:25
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    Wenn man für sich etwas neues sucht, aber das Bogenschießen bereits gefunden hat, ist Bouldern/Klettern dann eher eine Ergänzung oder Mehrbelastung? Ich meine bei beidem werden die Finger schon gut genutzt. Vorallem dann in meinem Fall als Rechtshänder und Linkshandbogen. D.h. ich ziehe die Sehne mit der Rechten Hand (Dominantes Linkes Auge – sog. Kreuzdominanz) Oder sollte ich eher eine Bewegungssportart wählen? Die intensität ist i.d.R. so, dass das Bogenschießen bestimmt 3x mindestens in der Woche, jeweils 120-300 Pfeile, vorkommen.

    Antwort
  • 29. September 2021 um 18:51
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    Reicht als Ausgleich zum bouldern auch das Training im Fitnessstudio? Zum Beispiel der milon Zirkel 🙂? Da bin ich jetzt nämlich mit angefangen… oder ist der nicht spezifisch genug für Kletterer-Dysbalancen?

    Antwort
    • 30. September 2021 um 5:46
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      Hallo Birgit!

      Schwer zu sagen! Da müsste ich erst wissen wie deine sportliche Historie ist und dein körperlicher Zustand!

      Das wiederrum kann dann von „du brauchst noch überhaupt keine spezielles Antagonistentraining“ bis „Milon Zirkel ist zu unspezifisch“ reichen… Vielleicht passt es aber auch in deinem Fall.

      Viele Grüße
      Christoph

      Antwort
  • 15. Oktober 2016 um 12:53
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    Großer Fehler (gern gemacht): Brustmuskel ist Teil der Beugerkette. Sieht man gut an den vorgezogenen Schultern vieler Kletterer, die Antagonisten nicht trainieren bzw benutzte Muskulatur nicht dehnen.

    Antwort
    • 16. Oktober 2016 um 12:58
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      Da halte ich dagegen: Die Brustmuskulatur wird zwar bei Kletterbewegungen mit angespannt und mit beansprucht. Aber: Hauptsächlich, weil die Brustmuskulatur ein Antagonist zu Latissimus & Co ist und daher in Synergie mit diesen arbeitet. Die Belastung auf die Brustmuskulatur ist daher beim Klettern da, aber gering.

      Auch zählt die Brustmuskulatur in der Literatur eher zur drückenden Schlinge des Oberkörpers. Zur Beugeschlinge (oder Beugerkette) zählen: Bauchmuskel, Kopf 1 des Quadrizeps, Lenden und Darmbeinmuskel.

      Die Brustmuskulatur wird hauptsächlich mit Bewegungen, welche die Arme vor den Körper bringt beansprucht. Also Bankdrücken, Butterfly, Fliegende, Boxen, Schubsen, Tennis Vorhand…

      Eine Übung, die sowohl Brust als auch Lat trainiert, sind Überzüge oder Pull overs. Solche Überzug ähnlichen Bewegungen kommen beim Klettern vor, aber eher selten. Ein Beispiel dafür wäre: Man hängt im Überhang mit beiden Händen an einem Henkel und versucht einen Tritt hoch im Dach zu treten.

      Brustmuskelkater nach Klimmzugtraining: Ja das gibt es. Ursache ist aber mehr die Dehnung des Brustmuskels als die große Belastung.

      Ursachen des Kletterrundrückens: Hier zu habe ich hier einen Artikel geschrieben: https://www.target10a.com/magazin/2015/10/24/der-kletterrundruecken-ursachen-und-gegenmassnahmen/

      Aber kurz gesagt sehe ich nicht eine verkürzte oder zu starke Brustmuskulatur als Ursache des Kletterrundrückens. Ich sehe die Ursachen eher in anderen starken Schulterblattinnenrotatoren im Vergleich zu zu schwacher Gegenmuskulatur wie dem Trapezius.

      Eine verkürzte Brustmuskulatur kann zwar zu einem ähnlichen Erscheinungsbild führen. Da aber durch die Klimmbewegungen beim Klettern die Brustmuskulatur auf natürliche Weise stets aufgedehnt wird, glaube ich das beim Kletterer eine verkürzte Brustmuskulatur sehr selten die Ursache für die Fehlhaltung ist.

      Antwort
      • 19. Oktober 2016 um 18:21
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        Viel Theorie, scheinbar aus Frontalkletter-Ideen. Hier mal Praxis: Nach kräftigem Klettertraining hab ich IMMER krassen Muskelkater im Brustmuskel. Und nein, das kommt nicht vom dehnen während der Bewegung. Ich muß den dehnen, sonst ziehts mir am nächsten Tag die Schultern vor (das bekannte Bild). Macht Sinn für eingedrehtes ziehen. Bin bei „Vorderseite“ ganz klar bei Schöffel (Bauch macht auch viel beim Rumpf-Stabilisieren). Lat macht wenig, da gibts nicht viel zu antagonieren, selten Muskelkater, Vorschub machen die Beine etc („aus der Hüfte“, ist kein Klimmzug).

        Antwort
          • 22. Oktober 2016 um 14:08
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            Bei der Hangwaage ist die gesammte Muskulatur im Oberkörper extrem angespannt. Dennoch wird die Oberkörpermuskulatur bei der Hangwaage nicht gleich belastet. Hier sind es der Lat, die Schulterblattmuskulatur und die Bauchmuskulatur welche die Hauptlast zu tragen haben. Auch der Pectoralis muss was tun, aber eben bei weitem nicht soviel.

            Außerdem hat die Hangwaage Ähnlichkeit zu Übungen wie den Überzügen oder den Pull Overs, die ich oben erwähnt habe. Und da hatte ich auch geschrieben, dass hier die Brustmuskulatur bei diesen Übungen mit beansprucht wird. Umso enger der Griff, je mehr die Belastung auf die Brustmuskulatur. Deswegen auch die Analogie: „Überhang mit beiden Händen an einem Henkel und versucht einen Tritt hoch im Dach zu treten“

            Bei den anderen Punkten sind wir halt anderer Meinung – darf ja erlaubt sein 🙂

            Antwort
          • 17. August 2017 um 17:27
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            Hallo Taichi,

            ich hatte heute einen Termin beim Volker Schöffl wegen meinem Knie. Da habe ich zum Schluss noch die Gelegenheit genutzt um ihm diesbezüglich eine Frage zu stellen. Ich habe die Frage so formuliert:
            „Würdest du mir Recht geben, wenn ich behaupte das die Brustmuskulatur beim Klettern nur mäßig beansprucht wird – vor allem im Vergleich dazu, was sie beispielsweise beim Bankdrücken maximal in der Lage wäre?“

            Seine Antwort dazu war „Absolut“. Dann hat er es noch mit den auch schon von mir genannten Punkten in etwa weiter begründet und ein paar persönliche Anekdoten dazu abgegeben. Ein Satz der mir noch in den Ohren liegt, war „die Brustmuskulatur ist fürs Klettern irrelevant“.

            Nicht, dass ich mir in der Sache nicht sicher gewesen wäre, aber dennoch scheint man mir ja in der Frage wenig zu glauben. Deswegen kann ein bisschen Beistand von einer Autorität, wie dem Volker Schöffl in diesem Fall nicht schaden!

            Siehe auch dazu die Diskussion hier: https://www.target10a.com/magazin/2015/03/07/beanspruchte-muskeln-beim-klettern-2/#comment-2400

            Antwort
  • 14. November 2015 um 19:57
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    Super Artikel!

    Hab noch ein paar kleine Einwände/ Anmerkungen:

    Zum den konkreten Übungsdurchführungen: Finde ich, kann man schwer sagen, welche Übungen mit welcher Intensität wem taugen. Das ist sehr individuell!

    Wie oft: Je nach Trainingslevel. Je stärker man klettert, desto mehr und gezielter muss das Antagonistentraining sein.

    Wann: Würde nicht pauschal sagen, dass man zum schwer Klettern davor einen Ruhetag braucht. Man kann auch am „Ruhetag“ sehr kurz sehr schwierige Spannungsübungen (z.B. Ringe, Hangwaage etc.) trainieren. Der Körper braucht dafür allerdings einige Einheiten, um sich daran zu gewöhnen. Habe Damit sehr gute Erfahrungen gemacht. (auch mal 3 Sessions mit nur 15min auf den „Ruhetag“ verteilt)

    Ich selbst mache mir immer kleine „Projekte“ bei den Ausgleichsübungen und versuche so immer wieder, auf neue Turnübungen wie z.B. Kreuzhang und einarmige Hangwaage hinzuarbeiten, damit die Leistung der Gegenspieler entsprechend Zugmuskulatur mit steigt.

    Ansonsten:

    Speziell wäre mal noch ein Artikel zur Vorbeugung Golfer/ Tennisellbogen interessant. Denn da kenne ich sehr viele Kletterer, die damit Probleme haben oder hatten und jeder musste erst selbst experimentieren, was dagegen hilft. Ein Teil steht schon im Artikel „Unterarmantagonistentraining“. Da gibt es aber noch viel mehr Nützliches was endlich mal auf einer guten Webseite festgehalten werden muss!

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